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Musik - Mathematik - Welterkenntnis

Beiträge zu einer Theologie des Klangs


Unter dem Titel Musik – Mathematik – Welterkenntnis veranstalten das Interdisziplinäre Zentrum für Pietismusforschung (IZP) und der Lehrstuhl für Historische Musikwissenschaft eine aus dem Programm des diesjährigen Sommersemesters herausragende Reihe mit vier unterschiedlichen Abendveranstaltungen.

Im Fokus der Reihe stehen theologische und musiktheoretische Entwürfe aus vier Jahrhunderten, die mit dem Anspruch versehen waren, Aufschluss über den göttlichen Schöpfungsplan zu geben und sogar heilsame Wirkungen der Musik versprachen. Die Veranstaltungsreihe bringt die außergewöhnliche Verbindung von Klangerfahrung und Erkenntnisinteresse zur Darbietung.


Eine Veranstaltungsreihe in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Historische Musikwissenschaft

präsent und digital unter:

https://uni-halle.webex.com/meet/izp


Termine


08. April 2025, 18.15 Uhr

„Gott würfelt nicht, er zählt“ – die Weltschöpfungsorgel
des Athanasius Kircher (1650)

Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann (Halle)

Ort: Halle, Franckesche Stiftungen, Haus 26, Englischer Saal


Die Musurgia universalis des Jesuitischen Polyhistors Athanasius Kircher, erschienen 1650, ist die umfangreichste Darstellung alles Musikalischen und Klingenden, die in der europäischen Geistesgeschichte überliefert ist. Kirchers Musikbegriff gründet in der Zahl, und aufbauend auf der Zahl entwirft der Gelehrte ein Ordnungsgebäude alles Seienden, das deshalb „Musik“ ist, weil die Musik klanggewordene Zahl ist: „numerus sonorus“. Für das Verständnis der göttlichen Schöpfungsordnung hat dies die entscheidende Konsequenz, dass solch ein Verständnis nur in zahlhaften Analogien erfolgen kann, in denen sich der Mensch an die (seinem Verständnis letztlich doch entzogene) göttliche Ordnung annähern kann. In der Weltschöpfungsorgel des letzten und 10. Buches der Musurgia manifestiert sich dieses Denken in einer besonders anschaulichen wie auch umfassenden Weise. Der Deus calculans hat alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet – er würfelt nicht, er zählt.


29. April 2025, 18.15 Uhr

„Gemüther auf / hinauff zur Sonnen“ – Lieder aus
Christian Knorr von Rosenroths Neuem Helicon

Eine gemeinsame Konzertveranstaltung mit den Franckeschen Stiftungen

Anna Moritz (Sopran, Halle) und Martin Steuber (Laute, Leipzig)
Prof. Dr. Wolfgang Hirschmann (Moderation, Halle)

Ort: Halle, Franckesche Stiftungen, Haus 1, Amerika-Zimmer


Im Jahr 1684 erschienen die siebzig Lieder des  „Neuen Helicon mit seinen Neun Musen“ von Christian Knorr von Rosenroth (1636–1689). Der eigenwillige Philosoph, Theologe, Dichter und Sänger entfaltet darin eine „musicalische Sittenlehre“, die „die menschliche Seele auf allerhand angenehme Weise und gleichsam singend und spielend auf den Weg ihrer wahren Glückseligkeit leiten“ soll; kabbalistische und alchemistische Vorstellungen spielen dabei eine tragende Rolle. Unser kommentierter Liederabend schreitet diesen Weg anhand ausgewählter Lieder in der ebenso intimen wie reizvollen Besetzung von Singstimme und Laute ab.


27. Mai 2025, 18.15 Uhr

„Die schmelzende Allgewalt, mit der die Harmonika zum
Herzen spricht.“ – Die Glasharmonika im Mesmerismus
und bei E.T.A. Hoffmann

Mit Musikbeispielen von Wolfgang Amadeus Mozart und Carl Leopold Röllig

Prof. Dr. Jürgen Barkhoff (IE—Dublin)

Ort: Halle, Franckesche Stiftungen, Haus 26, Englischer Saal


Die Glasharmonika war das Modeinstrument des Zeitalters der Empfindsamkeit. Von Benjamin Franklin 1761 entwickelt, stand sie im Ruf, die Emotionen des Interpreten besonders direkt auf sein Publikum zu übertragen. Ihre ziehenden, sphärischen Klänge wurden einerseits mit der menschlichen Stimme, andererseits mit der kosmischen Naturmusik in Verbindung gebracht und ihren Tönen wurden versöhnende und heilende Kräfte zugesprochen. Ihre Kritiker aber behaupteten das genaue Gegenteil: die Glasmusik sei schädlich und würde Melancholie und Nervenkrankheiten befördern. Der skandalumwitterte Arzt Franz Anton Mesmer setzte sie ein, um die therapeutischen Wirkungen seines Tierischen Magnetismus, einer Vorform der Hypnose, zu verstärken. Mozart, der für die Glasharmonika komponiert hat, hatte das Instrument in Mesmers Haus kennengelernt. In seinen Musiknovellen literarisierte E.T.A. Hoffmann den Zauber der Glasmusik, schlug zugleich aber auch skeptische und kritische Töne an. Dieser Verschränkung musikästhetischer, naturphilosophischer, medizinischer, psychologischer und literarischer Perspektiven wird der Vortrag – mit musikalischen Beispielen – nachgehen.


24. Juni 2025, 18.15 Uhr

„Durch die Blüte zur Anschauung Gottes…“
Webern, Schönberg und Swedenborg – Anmerkungen
zu einer übersehenen Tendenz der Moderne

Mit Klaviermusik von Arnold Schönberg: Sechs kleine Klavierstücke op. 19

Fabian Bell (Vortrag, Düsseldorf)
Prof. Anna-Victoria Baltrusch-Schulze (Klavier, Halle)

Ort: Halle, Franckesche Stiftungen, Haus 21, Probensaal


Die Musik Anton Weberns (1883-1945) wird in der Musikwissenschaft oft als unmittelbarer, gleichsam radikaler Anknüpfungspunkt der Nachkriegsavantgarde verstanden. Die jungen Vertreter dieser Strömung dachten an eine grundlegend neue Musik, die mit alten Tendenzen brach und die konstruktivistisch anmutenden Werke des Schönberg-Schülers erschienen ihnen als einzig mögliche Referenz der vorangegangenen Musikgeschichte. Übersehen wurde dabei nur allzu häufig die zutiefst mystische Haltung des Komponisten, die auch sein Schaffen beseelt. Zentral ist dabei die Auseinandersetzung mit der Gedankenwelt Emanuel Swedenborgs, die ihn für einige Jahre begleiten sollte und auch die Beachtung Schönbergs fand, dessen Sechs kleine Klavierstücke op. 19 im Rahmen der Veranstaltung zur Aufführung gelangen. Dieser übersehenen Tendenz der frühen Moderne widmet sich dieser Vortrag auf biographischer wie werkanalytischer Ebene und schafft auf diese Weise eine Möglichkeit der außermusikalischen Deutung.

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