Gender im Pietismus: Netzwerke und Geschlechterkonstruktionen
Tagung
26.-29. Oktober 2011
Gender im Pietismus: Netzwerke und Geschlechterkonstruktionen
Tagung des Interdisziplinären Zentrums für Pietismusforschung in Verbindung mit Ruth Albrecht, Ulrike Gleixner, Eva Kormann und Katja Lißmann
Franckesche Stiftungen zu Halle, Historisches Waisenhaus (Haus 1), Amerika-Zimmer
Die Arbeitstagung will mit der Frage nach Netzwerken, Geschlechterkonstruktionen und deren Zusammenhang ein neues Forschungsfeld für eine genderorientierte Pietismusforschung erschließen. Gemessen am kirchengeschichtlichen Forschungsmonopol und der Ausrichtung auf die Darstellung der Ideen 'großer Männer' darf die an der Gender-Kategorie ausgerichtete Tagungsthematik als ein ausgesprochenes Desiderat betrachtet werden. An Untersuchungen sowohl zur Netzwerkbildung und zum Netzwerkhandeln als auch zur Geschlechterkonstruktionen im Pietismus bzw. in den regional-territorial und historisch verschiedenen Pietismen fehlt es nicht, wenn auch für die Netzwerkforschung bislang ein deutliches Übergewicht auszumachen ist. Umso überraschender erscheint der Tatbestand, dass der von den Quellen nahe gelegte Versuch einer historisch-systematischen Verhältnisbestimmung zwischen diesen Propria des Pietismus noch nicht unternommen worden ist. Die der Tagung zugrunde gelegte zweigliedrige Arbeitshypothese, die in Vortrag und Gespräch erprobt werden soll, lautet, erstens dass möglicherweise das Netzwerkhandeln zur Ausbildung und Prägung von im Sinne der Genderforschung je eigenen, näher zu bestimmenden weiblichen und männlichen 'pietistischen' Identitäten geführt hat, und dass zweitens möglicherweise eine ebenso genderabhängige wie genderspezifische Formung von Netzwerken und dessen, was und wie von ihnen und in ihnen kommuniziert wurde, zu beobachten ist. Somit wird es Ziel der Tagung sein, zeigen zu können, dass und wie die beiden genannten Besonderheiten des Pietismus, die je für sich augenblicklich Forschungstraditionen zu begründen beginnen, historisch und systematisch eng miteinander verwoben gewesen sind.
Der historische Schwerpunkt der international besetzten Tagung soll auf der enthusiastisch-anarchischen Formierungs- und der 'orthodoxen' Konsolidierungs- bzw. Institutionalisierungsphase des Pietismus am Ende des 17. und im 18. Jahrhundert liegen. Weitere Arbeitstagungen, die sich – bei anderen thematischen Akzentuierungen – ins 19. Jahrhundert und darüber hinaus öffnen, können folgen. Um dem Pietismus als historisch interdisziplinärem Phänomen, das von Anbeginn mehr als nur eine Frömmigkeitsbewegung gewesen ist, gerecht zu werden, ist – vor allem mit Blick auf die Interdependenz von Netzwerkbildung und Geschlechterkonstruktionen – ein interdisziplinärer Zugriff erforderlich. Vortragend und diskutierend werden Geschichtswissenschaft, Theologie, Religionswissenschaft, Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft und Erziehungswissenschaft vertreten sein. Auch in der theoretischen Fundierung und im methodischen Angang setzt die Tagung auf eine für die Vermessung eines neuen Forschungsfeldes angemessene Vielstimmigkeit: Gendertheorie, Queer-Studies, Diskurstheorie, Kommunikationstheorie sowie historische Anthropologie, historische Diskursanalyse, Kommunikationsgeschichte und Texthermeneutik formieren sich zu einem bewusst offen und weit gehaltenen sozial- und kulturwissenschaftlichen Zugriff. Für die Vorträge stehen 25 Minuten, für deren Diskussion je 20 Minuten zur Verfügung. Eingeladen sind – nach vorausgegangener Bewerbung mit einem abstract – bereits etablierte und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus dem In- und Ausland.
Durch die Erschließung, Darstellung und Analyse unterschiedlicher Textformen bzw. Quellen soll der Ort von Gender im Pietismus, fokussiert auf die Frage nach Netzwerken und Geschlechterkonstruktionen, im 17. und 18. Jahrhundert näher bestimmt werden.